„Gemeinsam den Fortschritt gestalten“
Die Schiene wird digital. Dieses Ziel verfolgt auch die Bahn. Wichtiges Element der Strategie ins Digitale: die sogenannten Vorserienprojekte, in denen sich mehrere Hersteller in der digitalen Stellwerkstechnik gemeinsam beweisen. Eines davon, das zweite digitale Stellwerk Deutschlands, setzt Siemens Mobility gemeinsam mit der DB Netz AG um.
Deutsche Bahn (DB) positioniert sich als Vorreiter einer ganzen Branche, wenn es um die Digitalisierung der Schiene geht. Zentrales und größtes Infrastrukturprojekt in der Geschichte des Unternehmens: das Digitale Stellwerk (DSTW). Nach dem Piloten in Annaberg-Buchholz folgen weitere DSTW-Projekte. Das alte Relaisstellwerk am Bahnhof Warnemünde in Mecklenburg-Vorpommern wird durch ein Stellwerk der neuesten Generation ersetzt.
Sicherer Betrieb mit weniger Störungen
Fast die Hälfte der 3.000 von der DB betriebenen Stellwerke in Deutschland sind in den 1950‘er Jahren in Betrieb genommene Relaisstellwerke. Elektronische Stellwerke, sind die bislang jüngste Generation in der Stellwerkstechnologie. Nun sollen digitale Stellwerke sukzessive die Arbeit der älteren Stellwerke, die in unzähligen Bauarten über die Republik verteilt sind, übernehmen – und Kosten sparen. So erwartet die DB AG bessere Diagnosemöglichkeiten und Einsparungen durch einfachere Wartung. Der Vorteil für Bahnreisende: weiterhin sicherer Betrieb mit deutlich weniger Störungen.
Warnemünde startet noch dieses Jahr
Die Bahntochter DB Netz AG betreibt als Eisenbahninfrastrukturunternehmen etwa 87,5 Prozent des deutschen Schienennetzes. Sie treibt die Umstellung auf die neue Technologie, die auf standardisierten Schnittstellen und einer neuen Plattformarchitektur beruht, in fünf sogenannten Vorserienprojekten voran – mit dem Ziel, die DSTW-Technologie zur Serienreife zu bringen. Eines davon ist das DSTW Warnemünde. Es wird nahe Warnemünde Werft neu errichtet und termingerecht in Betrieb gehen. Damit wird es das zweite digital betriebene Stellwerk in Deutschland werden. André Lisker, zuständiger Vertriebsleiter bei Siemens Mobility GmbH: „Hier haben wir uns sehr gut geschlagen.“
Alleinverantwortung für neues DSTW
Das sieht auch die DB Netz AG so. Mitte 2018 beauftragte sie die Siemens Mobility mit der Umsetzung des DSTW Warnemünde. „Siemens hat sich in der bisherigen Zusammenarbeit als innovativer Partner erwiesen und dabei explizit seine Erfahrung und technische Expertise als Technologiepartner unter Beweis gestellt“, sagt Ingo Buhlke, Projektleiter bei der DB Netz AG, Großprojekte Ost. Darüber hinaus habe man während des Projekts entschieden, so Lisker, dass Siemens auch den für das DSTW vorgesehenen zentralen Technikstandort (TSO) errichten soll. Dieser wird für dieses Projekt nun temporär in Warnemünde errichtet.
„Einen größeren Vertrauensbeweis kann ich mir insgesamt kaum vorstellen“, erklärt der Vertriebsexperte. Das DSTW Warnemünde wird in mehreren Baustufen umgesetzt: bis September 2019 erfolgt die Inbetriebnahme des ersten Streckenabschnitts; bis Mai 2020 folgt die Reststrecke inklusive des Personenbahnhofs Warnemünde.
Überschaubare Strecken
Die anderen Vorserienprojekte befinden sich in Meitingen‑Mertingen, im Harz-Weser-Netz (HWN) sowie auf der Strecke Koblenz-Trier Meitingen-Mertingen. Es sind allesamt geeignete Strecken, um neue Technologie zu erproben. Warnemünde sei mit 22 Weichen und 66 Signalen auf einer Strecke von neun Kilometern sicherlich kein Riesenprojekt, jedoch von besonderer Bedeutung – für beide Unternehmen, so Lisker. Schließlich gibt es bisher erst ein einziges in Betrieb genommenes DSTW in Deutschland, bei der Erzgebirgsbahn in Annaberg-Buchholz, ebenfalls von Siemens Mobility ausgerüstet und umgesetzt. Warnemünde ist also auf bestem Wege, das zweite digitale Vorzeigeprojekt dieser Art zu werden.
Signaltechnik 4.0
„Technologisch entspricht das DSTW Warnemünde im Kern unserem Piloten in Annaberg-Buchholz“, erklärt Lisker. Das Herzstück bildet auch hier Trackguard Sinet. Informationsübertragung und Stromversorgung sind bei dieser neuen Technik voneinander getrennt. Der Datenaustausch zwischen dem Stellwerk und den Feldelementen wird via Ethernet erfolgen. Die große Herausforderung ist es dabei, die Sicherheitsanforderungen der Deutschen Bahn für Infrastrukturtechnik zu erfüllen. „Dafür sind unter anderem unsere Steuerungsgeräte eigensicher und werden permanent vom Stellwerk aus überwacht“, sagt Lisker. Größtmögliche Sicherheit bei zeitgemäßer Mobilität: „Trackguard Sinet bietet uneingeschränkte Fernüberwachung, eine funktionale Outdoor-Ausrüstung, standardisierte Schnittstellen, IP-basierte Kommunikation und ist obendrein sofort einsatzbereit. Wir nennen das Signaltechnik 4.0.“ Ergänzend dazu setzt Siemens Mobility auch Trackguard Sigrid ein – ein modernes und dezentrales Energieversorgungskonzept.
Mehr Qualität in vielen Bereichen
Das DSTW Warnemünde ist der Ausgangspunkt eines konsequenten über die kommenden Jahre geplanten Erneuerungsprogramms im Bereich der Stellwerkstechnik das auch den Seehafen miteinschließt. In einer weiteren Baustufe will die Deutsche Bahn ein integriertes Bediensystem einführen, um eine standardisierte Bedienung und einheitliche Bedienoberfläche für das Fern- und Ballungsnetz einzuführen.
„Die in Annaberg-Buchholz und Warnemünde verwendeten Lösungen sind ein wichtiger Schritt zum Stellwerk in der Cloud", betont Michael Peter, CEO von Siemens Mobility, „erstmals erteilt das Stellwerk seine Steuerungsbefehle IP-basiert an die angeschlossenen Feldelemente wie Weichen und Signale. Dies führt zu einer völlig neuen Flexibilität der Planung, ermöglicht intelligente Feldelemente und wird längerfristig positive Kosteneffekte generieren. Das alles natürlich unter Erfüllung höchster Sicherheitsanforderungen im Betrieb.“
Technologisch ist das DSTW Nachfolger des Elektronischen Stellwerks (ESTW). Bei beiden prüfen und verarbeiten redundante Rechnersysteme die Stellbefehle der Fahrdienstleiter. Die Unterschiede liegen in der Datenübermittlung der Befehle an Weichen, Signale, Gleiskontakte oder Bahnübergänge. Das geschieht beim ESTW über konventionelle, elektrische Schalttechnik mit Hilfe oft sehr langer Kabelbündel. Digitale Stellwerke übermitteln Stellbefehle mit moderner Ethernet-Netzwerktechnik. Neben einer deutlich größeren Stellentfernung bietet dies den Vorteil, dass weitaus weniger Kabel erforderlich sind. Die bisher bestehende individuelle Verbindung vom Stellwerk zu jedem einzelnen Stellelement per Kabel entfällt.
26.8.2019
Bildquellen: Siemens Mobility GmbH
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