„Um das Klima zu schonen, werden Antriebe mit Wasserstoff wie bei unserem Mireo Plus H eine entscheidende Rolle spielen.“

Im Kampf gegen die Klimakrise kommt der Mobilität der Zukunft eine entscheidende Schlüsselrolle zu. Neue Mobilitätskonzepte sind gefragt, wenn es darum geht, die CO2-Emissionen zu senken. Eines dieser Konzepte für ein besseres Klima: Wasserstoff. Mit seinem DEGREE-Framework hat sich die Siemens AG – und mit ihr Siemens Mobility – selbst ein klares Ziel für den Klimaschutz gesetzt. Siemens hat sich dazu verpflichtet, das 1,5-Grad-Ziel zur Bekämpfung der globalen Erderwärmung zu unterstützen. 

Mit dem Mireo Plus H bringt Siemens Mobility einen Zug auf die Schiene, der im Kampf gegen den Klimawandel ein wichtiger Meilenstein sein kann. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn entwickelt Siemens Mobility ein Gesamtsystem aus einem innovativen Wasserstoffzug mit Tankstelle. 2024 soll der Mireo Plus H im Fahrgastbetrieb eingesetzt werden. Wie die Zukunft des öffentlichen Personenverkehrs aussieht und warum die Wasserstofftechnologie dabei eine wichtige Rolle spielt, klären wir im Gespräch mit Albrecht Neumann, CEO Rolling Stock der Siemens Mobility.

 

Herr Neumann, der Klimawandel ist die große Herausforderung unserer Zeit. Alternative Konzepte auf der Schiene rücken immer mehr in den Mittelpunkt. Warum ist der Fokus auf die Schiene so wichtig?

Nun, zunächst einmal: Wenn es um die Reduzierung von CO2-Emissionen geht, kommt dem Mobilitätssektor eine besonders große Verantwortung zu. Weil hier eine große Hebelwirkung zu erwarten ist. Die Elektrifizierung des Schienenverkehrs ist dabei entscheidend. Deshalb hat die "Allianz pro Schiene" das Ziel formuliert, das deutsche Schienennetz bis 2025 zu 70 Prozent zu elektrifizieren. Allerdings gibt es hier Herausforderungen, für die wir Lösungen finden müssen.

Wenn es um die Reduzierung von CO2-Emissionen geht, kommt dem Mobilitätssektor eine besonders große Verantwortung zu.

Von welchen Herausforderungen ist die Rede?

Nicht alle Strecken können über Oberleitungssysteme mit elektrischer Energie versorgt werden. Vor allem zum Beispiel dort, wo Tunnel und Brücken die Installation eines Oberleitungssystems erschweren. Da wird Elektrifizierung kostspielig und zeitaufwendig. So leid es mir tut: Ein 100-prozentig elektrifiziertes Schienennetz wird in Deutschland und Europa vorerst ein Traum bleiben. Deshalb müssen wir für die nicht-elektrifizierten Teile umweltfreundliche Lösungen finden.

 

Und genau daran arbeiten Sie zurzeit?

Ja. Diese Lösungen sind schon da. Die Rede ist von hybriden Lösungen. Also zum Beispiel Züge, die elektrisch fahren, aber umstellen können, wenn sie Streckenabschnitte überbrücken müssen, die nicht elektrifiziert sind. Oder Züge, die speziell auf längere, nicht-elektrifizierte Strecken ausgelegt sind. Genau dafür haben wir den Mireo Plus H entwickelt.

 

Können Sie das genauer ausführen?

Der Mireo Plus H basiert auf unserer erfolgreichen Mireo-Plattform. Das Besondere am Mireo Plus H ist der Wasserstoffantrieb. Dabei unterstützt eine leistungsstarke und sichere Lithium-Ionen-Traktionsbatterie die Brennstoffzelle beim Fahren und nimmt Bremsenergie auf. Konkret: Statt direkt aus der Oberleitung zieht der Antrieb seine elektrische Antriebsenergie aus einer Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff aus Tanks auf dem Dach gespeist wird. Das Ergebnis: lokale emissionsfreie Mobilität, wo bisher keine Elektrifizierung vorhanden ist.

 

Gibt es da schon konkrete Anwendungsgebiete?

Bis jetzt gab es Lösungen, die für Bahnbetreiber sehr rentabel sind, aber sich nur für kurze Strecken im Batteriebetrieb und für relativ flache Landschaften eigneten. Der Wasserstoffantrieb spielt dann seine Stärken aus, wenn die Streckentopologie anspruchsvoller wird oder die nicht-elektrifizierten Strecken länger werden.

 

Jetzt die wichtigste Frage: Ist Wasserstoff also der Treibstoff der Zukunft?

Ja, das könnte man so sagen, die Vorteile liegen einfach auf der Hand: Wasserstoff ist ein nachhaltiger Rohstoff. Der Wasserstoffantrieb ist sehr geräuscharm. Und in der Ausführung im Mireo Plus H genauso leistungsfähig wie herkömmliche Antriebe. Dies wissen noch nicht alle, da gibt es noch Vorurteile, die wir ausräumen müssen. Für Betreiber sind übrigens auch die geringen Wartungskosten interessant – Brennstoffzellen haben im Vergleich zu Dieselmotoren keine bewegten Teile und unterliegen keinem mechanischen Verschleiß, das vereinfacht die Wartung erheblich. So können wir für die Betreiber die Wartungs- und Lebenszykluskosten senken.

Wasserstoff ist ein nachhaltiger Rohstoff. Der Wasserstoffantrieb ist sehr geräuscharm. Und so leistungsfähig wie herkömmliche Antriebe.

Das heißt der Umstieg auf Wasserstoff lohnt sich nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Betreiber?

Wir denken schon. In der Gesamtbilanz muss natürlich der Preis für – wenn möglich grünen – Wasserstoff berücksichtigt werden. Der ist heute noch teurer als Dieselkraftstoff. Aber wir gehen davon aus, dass sich das im Rahmen von einem Ausbau der Produktionskapazitäten und einer zunehmenden Besteuerung von CO2-Emissionen nachhaltig verändern wird. Zusätzlich wollen wir Unternehmen den Umstieg auf Wasserstoffantriebe so attraktiv wie möglich machen. Deswegen schaffen wir ein Angebot für alle Unternehmen, die daran interessiert sind, Teil einer zukunftsweisenden Branche zu sein. Wir bieten ihnen ein Rundum-Sorglos-Paket, das den Wasserstoffzug, seine Wartung und seine Infrastruktur umfasst.

 

Wie sieht die weitere Entwicklung aus. Wann und wo fahren die ersten Wasserstoffzüge?

Wie erwähnt, arbeiten wir mit der Deutschen Bahn gemeinsam daran, Wasserstoff auf die Schiene zu bringen. Wir liefern dafür das Fahrzeug – unseren Wasserstoffzug Mireo Plus H. Die Deutsche Bahn entwickelt in diesem Gemeinschaftsprojekt die zugehörige Wasserstofftankstelle und kümmert sich um die Treibstoffversorgung. 2024 gehen wir damit auf der Strecke Tübingen-Horb-Pforzheim in den Probebetrieb. Und erst kürzlich haben wir gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung eine Absichtserklärung für einen Probebetrieb in Bayern ab 2023 unterschrieben. Die klimafreundliche Verkehrswende auf der Schiene ist also im vollen Gange. Und wir sind sehr froh und auch stolz, dass wir hier mit dem Mireo Plus H einen wichtigen Beitrag leisten können.

 

Herr Neumann, wir danken Ihnen sehr für das Gespräch.